Sonntag, 12. Dezember 2010

Dritter Advent




Ein Ausflug ins Stadtzentrum an einem Samstag im Advent war wohl keine gute Idee...Jetzt erreicht meine Weihnachts(ver)stimmung langsam den Höhepunkt und ich mache jetzt meine Drohung wahr, meine Gedanken nicht nur still vor mich hinzubloggen, sondern gehe zum Angriff über und drucke sie auf Zettel, die ich dann bei Bedarf verteilen werde!
Auf diesen Zetteln steht dann folgendes:

Sehr geehrter Retter des Regenwaldes/Greenpeace-Aktivist/Obdachloser/Sonstiger Geldeintreiber im Namen einer Guten Sache!

Wie immer sind Sie gerade mit leuchtenden Augen unter der roten Weihnachtsmann-Mütze inmitten einer Menschenmenge zielsicher geradewegs auf mich zugesteuert, eine solide, aber nicht extravagant gekleidete Frau mittleren Alters, die schwer beladen durch den Schneematsch hastet.

Es tut mir Leid, heute nicht!

"Aber, es ist doch bald Weihnachten!" höre ich Sie entsetzt stammeln.

Ja, es ist bald Weihnachten.

Deshalb bin ich vollauf beschäftigt, die Wohnung aufzuräumen, zu polieren und zu dekorieren, ein Menü, das allen schmecken soll, zu entwerfen und die Zutaten, von denen erfahrungsgemäss mindestens eine, besonders unverzichtbare, gerade fast überall in der Stadt ausverkauft ist, in überfüllten Supermärkten zu besorgen. Die Anwesenheit von selbsternannten Restaurant-Kritikern, Trägern wackligen Zahnersatzes, Vegetariern und/oder Allergikern an der Festtafel verschafft dieser Aufgabe einen zusätzlichen Reiz.

Ausserdem bin ich in überlaufenen Innenstädten in meiner Rolle als generationenübergreifender "personal shopper" unterwegs, um im Auftrag älterer Menschen "vernünftige" Dinge für die Jugend zu besorgen, deren Geschmack mir eh fremd ist und die sich meist schweineteure, oft nur Fingernagel-grosse Dinge aus dem Elektronikmarkt wünscht, die bei den meisten Menschen über 30 auf totales Unverständnis stossen. Das Ganze ist dann wenigstens so zu verpacken, "dass es nach was aussieht". Den jüngeren Familienmitgliedern muss ich dauernd in den Ohren liegen, dass sie bitte wenigstens eine Kleinigkeit für die Grosseltern basteln oder kaufen sollen, weil sich das so gehört. Und gleichzeitig ein paar Reserve-Geschenke besorgen, falls mein Flehen doch nicht erhört wird. Wohl wissend, dass meine besten Bemühungen gewisse Spannungen bei der Bescherung nicht verhindern können.

Ich selbst werde mich wieder pflichtschuldig über einen Kalender, einen Gutschein, ein Buch von der Bestseller-Liste oder eines der derzeit am aggressivsten beworbenen Duftwässer freuen.

Zwischendurch wird immer wieder die Bitte an mich herangetragen, ich solle doch bis morgen ein Kilo von meinen guten Kipferl für die Weihnachtsfeier im Kindergarten/der Schule/der Firma oder den Weihnachts-Basar backen, ach nein, lieber ein paar verschiedene Sorten, dann ist der Plätzchenteller so schön bunt. Und ein Überraschungs-Geschenk für die Verlosung mitgeben, was Lustiges, bitte, etwas, das für Männlein und Weiblein geeignet ist, es ist ja eine Verlosung. Ach ja, und ich kann doch so gut stricken, dann kann ich doch sicher auch gut basteln und gleich noch schnell 100 Wichtel aus Tannenzapfen für die Dekoration herstellen…

Wer arbeitet, kann es jetzt keinesfalls ruhiger angehen lassen, es gibt jede Menge Dinge, die ganz wichtig und dringend bis Jahresende erledigt werden müssen und zusätzlich dazu fallen dem Chef spätestens am drittletzten Arbeitstag noch fünf weitere solcher "assignments" ein, bevor er sich gut gelaunt mit einem jovialen Klaps auf die Schulter zum Weihnachtsurlaub verabschiedet.

All diese Aktivitäten zehren natürlich nicht nur an meinen Nerven, sondern auch an meinem Geldbeutel. Dienstleister aller Art, deren Dienstleistungen teilweise das ganze Jahr über unbemerkt geblieben sind, erwarten jetzt ihr Trinkgeld, auch mein muslimischer Müllmann übt religiöse Toleranz und wünscht den Ungläubigen ein frohes Fest…warum auch nicht, das Heidentum hat die Wintersonnwende nach Jahrhunderten endlich wieder zurückerobert, denn was haben grellbunt flimmernde Lichter, gefällte Bäume, überfüllte Innenstädte, amerikanische Schlager, sich biegende Ess- und Gabentische und zusätzliche Pfunde auf meinen Hüften mit der Geburt Jesu zu tun?

Deshalb lassen Sie mich bitte mit meinem Schicksal hadern und gewähren Sie mir und meinesgleichen eine kleine Schonzeit.

Im neuen Jahr haben wir dann wieder ein offenes Ohr und eine offene Geldbörse für Sie, die Erhaltung des Habitats des Yeti, die Unterstützungskasse für schuldlos in Not geratene Investment-Banker, indische Strassenkühe und Umschulungsprogramme für bulgarische Eierdiebe…

Versprochen!

Ein gesegnetes Weihnachtsfest wünscht Ihnen

Ihre griseldis


Wer ähnlich fühlt, darf diesen Text natürlich auch ausdrucken und verteilen…bitte keine Veröffentlichung ohne meine vorherige Zustimmung!

2 Kommentare:

  1. ...ich unterschreib dann auch mal!

    ;-)

    Liebe Grüsse, Evelyn!

    AntwortenLöschen
  2. *gacker*

    Auf der Suche nach Loferl-Strickanleitungen bin ich in diesem tollen Blog gelandet und auch wenn Weihnachten nun schon wieder Geschichte ist, habe ich grade sehr herzlich gelacht.

    Liebe Grüße, heike

    AntwortenLöschen